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Florian Schrenk, B.A., LL.M.
Das österreichische Urlaubsgesetz sieht in § 10 Abs 2 UrlG vor, dass keine Urlaubsersatzleistung gebührt, wenn der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt. Dies bezieht sich jedoch nur auf den Urlaubsanspruch jenes Urlaubsjahres, in dem der Austritt erfolgt.
Bereits seit einigen Jahren wurde diese Passage – ausgehend von zahlreichen einschlägigen EuGH-Entscheidungen – als unionsrechtlich bedenklich gesehen.
Zur gegenständlichen Gesetzespassage erging nun eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, 25.11.2021 – C-233/20).
Im konkreten Sachverhalt hat der Kläger sein knapp fünf Monate dauerndes Arbeitsverhältnis durch unberechtigten vorzeitigen Austritt beendet. Im Zeitpunkt der Beendigung hatte er einen offenen Urlaubsanspruch von 3,33 Urlaubstagen. Der beklagte Arbeitgeber lehnte die Auszahlung der Urlaubsersatzleistung für diese Tage aufgrund der Bestimmungen des § 10 Abs 2 UrlG ab.
Der Kläger war der Ansicht, dass diese Bestimmung unionsrechtswidrig ist. Der OGH legte den Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.
Aussagen des EuGH
Der EuGH vertritt die Rechtsansicht, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht restriktiv ausgelegt werden darf. Die Mitgliedsstaaten dürfen den Urlaubsanspruch nicht von irgendeiner Voraussetzung abhängig machen.
Gemäß ständiger EuGH-Judikatur sieht Art. 7 (2) RL 2003/88 (Arbeitszeit-RL) für das Entstehen des Anspruchs auf eine finanzielle Vergütung keine andere Voraussetzung vor, als dass zum einen das Arbeitsverhältnis beendet ist und dass zum anderen der Arbeitnehmer nicht den gesamten Jahresurlaub genommen hat, auf den er bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch hatte.
Der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist somit im Hinblick auf den Anspruch auf eine finanzielle Vergütung nach Art. 7 (2) RL 2003/88 nicht maßgeblich.
Conclusio
Durch die EuGH-Entscheidung kann im Rahmen der allgemeinen Verjährungsfrist bis zu drei Jahre rückwirkend eine solche Urlaubsersatzleistung, die aufgrund eines unberechtigten vorzeitigen Austritts nicht ausbezahlt wurde, noch geltend gemacht werden.
Die Dreijahresfrist verkürzt sich allerdings durch kollektivvertragliche oder einzelvertragliche Verfallfristen.
Mag. Wolfram Hitz
In den letzten Jahren hat es einige gesetzgeberische Maßnahmen gegeben, die die arbeitsrechtlichen Regelungen für Arbeiter und Angestellte zwar nicht vereinheitlicht, aber doch recht weit angeglichen haben. Große Unterschiede bestehen jedoch weiterhin bei der Frage der KV-Anwendung, dem für den Arbeitnehmer zuständigen Betriebsrat sowie bei der Behandlung von Sonderzahlungen.
Beim Thema Sonderzahlungen wird gelegentlich die These vertreten, dass es hier zwar keine gesetzliche Angleichung gegeben habe, aber aufgrund von Analogieschlüssen Arbeiter und Angestellte gleich zu behandeln wären. Konkret geht es um die zwingende Bestimmung des § 16 AngG, wonach im Ergebnis ein bereits erworbener Sonderzahlungsanteil (selbst bei Entlassung oder unberechtigtem vorzeitigem Austritt) nicht nachträglich entfallen darf.
In der Literatur wird die Frage unterschiedlich beleuchtet: Zum Teil wird ein Analogieschluss für Arbeiter vertreten, zum Teil wird auch nach den jüngsten Angleichungen mit Verweis auf die Rechtslage eine differenzierte Behandlung – also ein zulässiger Entfall zB bei Entlassung eines Arbeiters – vertreten.
Die Höchstgerichte haben dazu bis dato noch kein Urteil gefällt – die vorliegenden Entscheidungen haben entweder einen unzulässigen Entfall bei Angestellten zum Gegenstand gehabt oder einen Entfall bei Arbeitern ohne KV-Anwendung. In letzterem Fall wurde eine analoge Anwendung des § 16 AngG zwar für einen Arbeiter bejaht, allerdings in einem Sachverhalt ohne einschlägige Entfallsbestimmung mangels anwendbarem KV. Dieses Urteil wurde auch nicht vom OGH, sondern vom OLG Wien gefällt.
Der eingangs erwähnte Analogieschluss, der sich auf die weitgehende Angleichung zwischen Arbeiter und Angestellte stützt, ist mE nicht korrekt. Da der Gesetzgeber mit den letzten Novellen zur Angleichung gerade eben nicht alle Unterschiede beseitigt hat, ist mE ein genereller Analogieschluss unzulässig.
Würde man die These der Analogie vertreten, wären seit den letzten Novellen auch alle noch bestehenden Unterschiede auf Basis unterschiedlicher betriebsverfassungsrechtlicher Regelungen für getrennte Arbeiter- und Angestellten-Betriebsräte bzw. zur Anwendung unterschiedlicher KVs obsolet.
Im Ergebnis kann daher weiterhin auf Basis einschlägiger KV-Bestimmungen (zB bei Entlassung und unberechtigtem vorzeitigen Austritt) der Sonderzahlungsanspruch für Arbeiter zur Gänze entfallen.
Florian Schrenk, BA
Im gegenständlichen Fall (OGH 18.3.2016, 9 ObA 16/16t) war der Kläger im Restaurant des Beklagten ab 10.8.2013 als Küchenhilfe (KV für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe) beschäftigt. Das Dienstverhältnis wurde durch unberechtigten vorzeitigen Austritt beendet.
Die bereits ausbezahlte Jahresremuneration (Art 14 lit g des gegenständlichen Kollektivvertrages) wurde in der Endabrechnung in Abzug gebracht, wodurch es zu keiner Auszahlung kam.
Der Kläger begehrte vom Beklagten die Ausbezahlung des Lohnes für den Endabrechnungszeitraum, da die Rückverrechnung auch bei Beendigung durch einen unberechtigten vorzeitigen Austritt nicht möglich sei.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung, da der Anspruch auf Jahresremuneration beim vorliegenden Beendigungsgrund entfalle bzw der Anspruch nicht erworben wurde.
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt.
Der OGH hob die Entscheidung der Vorinstanzen auf.
„Zusammengefasst ist Art 14 lit g des Kollektivvertrags für das Hotel- und Gastgewerbe für Arbeiter dahin auszulegen, dass der Anspruch auf Jahresremuneration entfällt, wenn ein Arbeitnehmer gemäß § 82 Gewerbeordnung 1859 entlassen wird oder ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder die vorgesehene Kündigungsfrist nicht einhält. Dies ist nicht davon abhängig, ob die Jahresremuneration bereits bezahlt wurde. In den genannten Beendigungsfällen wird dieser Anspruch gar nicht erworben, eine bereits enthaltene Jahresremuneration ist vom Arbeitnehmer zurückzuzahlen“, so der OGH in seinen Entscheidungsgründen.