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Mag. Wolfram Hitz
In den letzten Jahren hat es einige gesetzgeberische Maßnahmen gegeben, die die arbeitsrechtlichen Regelungen für Arbeiter und Angestellte zwar nicht vereinheitlicht, aber doch recht weit angeglichen haben. Große Unterschiede bestehen jedoch weiterhin bei der Frage der KV-Anwendung, dem für den Arbeitnehmer zuständigen Betriebsrat sowie bei der Behandlung von Sonderzahlungen.
Beim Thema Sonderzahlungen wird gelegentlich die These vertreten, dass es hier zwar keine gesetzliche Angleichung gegeben habe, aber aufgrund von Analogieschlüssen Arbeiter und Angestellte gleich zu behandeln wären. Konkret geht es um die zwingende Bestimmung des § 16 AngG, wonach im Ergebnis ein bereits erworbener Sonderzahlungsanteil (selbst bei Entlassung oder unberechtigtem vorzeitigem Austritt) nicht nachträglich entfallen darf.
In der Literatur wird die Frage unterschiedlich beleuchtet: Zum Teil wird ein Analogieschluss für Arbeiter vertreten, zum Teil wird auch nach den jüngsten Angleichungen mit Verweis auf die Rechtslage eine differenzierte Behandlung – also ein zulässiger Entfall zB bei Entlassung eines Arbeiters – vertreten.
Die Höchstgerichte haben dazu bis dato noch kein Urteil gefällt – die vorliegenden Entscheidungen haben entweder einen unzulässigen Entfall bei Angestellten zum Gegenstand gehabt oder einen Entfall bei Arbeitern ohne KV-Anwendung. In letzterem Fall wurde eine analoge Anwendung des § 16 AngG zwar für einen Arbeiter bejaht, allerdings in einem Sachverhalt ohne einschlägige Entfallsbestimmung mangels anwendbarem KV. Dieses Urteil wurde auch nicht vom OGH, sondern vom OLG Wien gefällt.
Der eingangs erwähnte Analogieschluss, der sich auf die weitgehende Angleichung zwischen Arbeiter und Angestellte stützt, ist mE nicht korrekt. Da der Gesetzgeber mit den letzten Novellen zur Angleichung gerade eben nicht alle Unterschiede beseitigt hat, ist mE ein genereller Analogieschluss unzulässig.
Würde man die These der Analogie vertreten, wären seit den letzten Novellen auch alle noch bestehenden Unterschiede auf Basis unterschiedlicher betriebsverfassungsrechtlicher Regelungen für getrennte Arbeiter- und Angestellten-Betriebsräte bzw. zur Anwendung unterschiedlicher KVs obsolet.
Im Ergebnis kann daher weiterhin auf Basis einschlägiger KV-Bestimmungen (zB bei Entlassung und unberechtigtem vorzeitigen Austritt) der Sonderzahlungsanspruch für Arbeiter zur Gänze entfallen.
Mag. Friedrich Schrenk / Florian Schrenk, BA
Im gegenständlichen Fall (OGH 8 ObS 12/16x, 27.09.2016) war die Klägerin bei der späteren Insolvenzschuldnerin (AG) vom 8. 1. 2015 bis 5. 6. 2015 als Angestellte beschäftigt. Das Dienstverhältnis unterlag dem Kollektivvertrag für Angestellte im Metallgewerbe (KV).
Vom 8. 1. 2015 bis 30. 4. 2015 war die Klägerin geringfügig mit fünf Stunden pro Woche und einem Monatsgehalt von 405,98 EUR brutto beschäftigt. Ab 1. 5. 2015 bis zu ihrem vorzeitigen Austritt gemäß § 25 IO am 5. 6. 2015 war sie im Rahmen einer 33 Stunden Woche mit einem Gehalt von 2.461,62 EUR brutto angestellt.
Die Klägerin vertritt den Standpunkt, die Sonderzahlungen seien nach dem KV anhand der im Monat November bzw. im Monat der Auszahlung gebührenden Gehälter zu berechnen. Diese fixe Regelung lasse für Abweichungen keinen Raum.
Die Firma wählte eine Mischberechnung.
§ 13 KV für Angestellte des Metallgewerbes lautet auszugsweise:
„(1) Allen Angestellten gebührt einmal in jedem Kalenderjahr ein 13. und 14. Monatsgehalt (Weihnachtsremuneration und Urlaubszuschuss). (…)
(2) Der Berechnung des 13. Monatsgehalts ist das im November gebührende Monatsgehalt (Lehrlingsentschädigung, Fixum) zugrunde zu legen. Der Berechnung des 14. Monatsgehalts ist das im Monat der Auszahlung gebührende Monatsgehalt (Lehrlingsentschädigung, Fixum) zugrunde zu legen.
Bei Angestellten, die während des Kalenderjahres ihre Lehrzeit vollendet haben, setzt sich das 13. und 14. Monatsgehalt aus dem aliquoten Teil der letzten monatlichen Lehrlingsentschädigung und aus dem aliquoten Teil des Angestelltenbezugs zusammen. (…)
(4) Den während des Kalenderjahres eintretenden oder austretenden Angestellten (Lehrlingen) gebührt der aliquote Anteil des 13. und 14. Monatsgehaltes entsprechend der im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit. Angestellte, die das 13. und 14. Monatsgehalt bereits erhalten haben, aber noch vor Ablauf des Kalenderjahres ausscheiden, ist der verhältnismäßig zu viel bezahlte Anteil, der auf den restlichen Teil des Kalenderjahres entfällt, bei der Endabrechnung in Abzug zu bringen. (…)“
Der Oberste Gerichtshof vertritt in seiner auch vom Berufungsgericht zitierten ständigen Rechtsprechung den Grundsatz, dass kollektivvertragliche Sonderzahlungen bei wesentlichen Änderungen des Entgelts wegen Wechsels vom Lehr- zum Arbeitsverhältnis während der Abrechnungsperiode im Zweifel zu aliquotieren sind, wenn der Kollektivvertrag dies wenigstens ganz allgemein, insbesondere für den Fall vorsieht, dass ein Arbeitnehmer während des Jahres eintritt oder austritt. Auch dann, wenn eine ausdrückliche, klarstellende Regelung fehlt, ist dann eine Aliquotierung vorzunehmen, basierend einerseits auf der Lehrlingsentschädigung für die Dauer der Lehrzeit und andererseits auf dem Gehalt für die Dauer des folgenden Dienstverhältnisses (8 ObA 175/00v).
Anmerkung für die Praxis:
Sieht ein Kollektivvertrag (hier: KV für Angestellte im Metallgewerbe, aber z.B. auch EDV-Dienstleister-KV) keine bestimmte Regelung für den Fall vor, dass es innerhalb des Kalenderjahres im aufrechten Angestelltenverhältnis zu einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes gekommen ist, ist die Höhe der Sonderzahlungen durch eine Mischberechnung zu ermitteln, sodass die Sonderzahlungen nur aliquot in dem der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung entsprechenden Ausmaß im Kalenderjahr zustehen.
Aufgrund der zuvor ergangenen OGH-Rechtsprechung (9 ObA 85/10f) ging ein Teil der Lehre davon aus, dass die Mischberechnung dann nicht zu erfolgen hat, wenn der KV eine solche nicht vorsah und aufgrund des Wortlautes des KV dem Aktualitätsprinzip der Vorrang („…das im November gebührende Monatsgehalt“) eingeräumt wurde. Diese Annahme hat dieses OGH-Urteil widerlegt.
Begrüßenswert wäre es, wenn der KV diesbezüglich eine ausdrückliche Regelung vorsehen würde (so z.B. der KV für Angestellte im Speditionsgewerbe, der eine ausdrückliche Mischberechnung für Sonderzahlungen bei unterschiedlichem Arbeitszeitausmaß vorsieht).
HINWEIS: Dieses Urteil wird sehr umfassend bei der Seminarreihe „Aktuelles und Änderungen in der Personalverrechnung“ besprochen. Link zur Akademie der Wirtschaftstreuhänder
Der OGH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass für entgeltfreie Zeiten keine Sonderzahlungen zustehen, sofern nicht durch Gesetz oder Kollektivvertrag ausdrücklich anders geregelt. (ua OGH 16.06.1994, 8 ObA 264/94)
Regelt der Kollektivvertrag in diesem Zusammenhang also nichts Günstigeres, können die Sonderzahlungen entsprechend der entgeltfreien Zeiten gekürzt werden.
In einer aktuellen Entscheidung des obersten Gerichtshofes (OGH 26.2.2014, 9 ObA 164/13b) wurde für den Kollektivvertrag für Angestellte im graphischen Gewerbe klar gestellt, dass eine solche Regelung im Kollektivvertrag bei der Berechnung der Sonderzahlung zu berücksichtigen ist. Diese sieht im gegenständlichen Kollektivvertrag wie folgt aus:
Zeiten des Dienstverhältnisses ohne Entgeltanspruch vermindern nicht den Anspruch auf den Urlaubszuschuss, ausgenommen in den gesetzlich ausdrücklich angeführten Fällen (zB §§ 14 Abs 4 und 15 Abs 2 MSchG, 10 APSG, 119 Abs 3 ArbVG). Für Zeiten des ungerechtfertigten Fernbleibens von der Arbeit stehen keine Sonderzahlungen zu. Für Zeiten des freiwillig vereinbarten Entfalls der Dienstleistung ohne Entgelt kann der Entfall der Sonderzahlungen vereinbart werden (ausgenommen für unbezahlten Urlaub für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen im Sinne des § 118 ArbVG über die dort vorgesehene Dauer). Erhält der Dienstnehmer aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften vollen Entgeltersatz (einschließlich Sonderzahlungen), entfällt insoweit der Anspruch gegen den Dienstgeber.
Diese Regelung bewirkt, dass die Sonderzahlung zwar im Falle von entgeltfreien Zeiten etwa durch einen Langzeitkrankenstand nicht gekürzt werden dürfen, sehr wohl aber für Zeiten von Wochenhilfe, Präsenzdienst, etc.
In einem aktuellen Urteil (OGH 26.11.2013 9ObA82/13v) ertritt der Oberste Gerichtshof die Auffassung, dass eine Kollektivvertragsbestimmung, wonach der Sonderzahlungsanspruch von Angestellten im Falle einer schuldhaften Entlassung, eines unberechtigten Austritts des Dienstnehmers oder einer Nichteinhaltung der Kündigungsfrist durch den Dienstnehmer als gar nicht erworben gilt, gegen die zwingende Bestimmung des § 16 AngG verstößt. Eine Regelung, wie im vorliegenden Urteil behandelten Kollektivvertrag für die Dienstnehmer der Privatkrankenanstalten Österreichs – der Anspruch auf die Sonderzahlung entfällt, wenn der Dienstnehmer schuldhaft entlassen wird oder ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder die Kündigungsfrist nicht einhält – ist unwirksam!
Der im Laufe des Dienstverhältnisses erworbene (aliquote) Sonderzahlungsanspruch steht dem Angestellten unabhängig von der Beendigungart jedenfalls zu.
Eine solche KV-Bestimmung wäre nur in einem Arbeiter-Kollektivvertrag zulässig.
Wie „Die Presse“ online berichtet, stellte die Expertengruppe „Unternehmen Österreich 2025“ am Montag ihren Abschlussbericht vor.
Die von Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) initiierte Expertengruppe hat unter dem Namen „Unternehmen Österreich 2025“ Vorschläge für Reformen in den Bereichen Industrie, Dienstleistung, Gewerbe, öffentlicher Verwaltung und Wissenschaft erarbeitet.
Nahezu 300 Experten (laut Homepage www.unternehmen-oesterreich2025.at handelt es sich um Entscheidungsträger und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft) tauschten sich zwischen Mai und September in insgesamt zehn Themengruppen zu Visionen und konkreten Maßnahmenvorschlägen aus.
Teils sehr radikale Vorschläge gab es auch im Bereich „Arbeitswelten“ (wörtliche Auszüge):
Florian Schrenk, BA