___
___
___
Mag. Wolfram Hitz
Wie allgemein bekannt findet im Parlament derzeit das „freie Spiel der Kräfte“ statt. Was parteipolitisch durchaus verständlich ist und seine Berechtigung hat, weckt insbesondere im Arbeits- und Sozialrecht Erinnerungen an den Herbst 2017. Auch damals wurden vor einer Nationalratswahl im „freien Spiel der Kräfte“ massive Änderungen im Arbeitsrecht beschlossen, die bis heute noch nicht zur Gänze umgesetzt sind (zB Angleichung Arbeiter/Angestellte, Übergangsfrist bei Entgeltfortzahlung bis 30.6.2019) bzw. deren Folgen noch immer nicht ganz klar sind (Angleichung Kündigungsfristen Arbeiter/Angestellte ab 1.1.2021 mit der Möglichkeit der Ausnahme für bestimmte „Saison-Branchen“).
Bevor der Nationalrat mit Wirkung 4.7.2019 aufgelöst wird, stehen davor noch zwei Plenartage am Programm. Dafür gibt es aus dem Bereich des Arbeitsrechts diverse Anträge.
Neben dem Rechtsanspruch auf einen Papamonat und der Neuregelung der Freistellung bzw. Entschädigung von freiwilligen Helfernwurde auch eine volle Anrechnung aller Karenzzeitenbeantragt. Dabei handelt es sich um die Wiederholung eines bereits im letzten Herbst eingebrachten, aber nicht beschlossenen Antrages (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/A/A_00338/index.shtml).
Inhaltlich stellt dieser Antrag eine – man kann es nicht anders ausdrücken – rechtliche „Bombe“ dar, da sämtliche Spielregeln der bisherigen Gesetzgebung außer Kraft gesetzt werden würden:
Die volle Anrechnung sämtlicher Elternkarenzen für alle dienstzeitabhängigen Ansprüchesoll antragsgemäß nicht für die Zukunft bzw. ab einem Stichtag gelten, sondern auch für die Vergangenheit!Dies würde bedeuten, dass sämtliche Ansprüche von bestehenden und ehemaligen ArbeitnehmerInnen im Hinblick auf die Einhaltung von Kündigungsfristen, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, die korrekte KV-Einstufung, die Höhe der Abfertigung Alt, die Fälligkeit des Jubiläumsgelds etc. sich rückwirkend ändern würden! Man kann bzgl. des Zeitraumes nur mutmaßen, vermutlich innerhalb der Verfalls- oder vielleicht sogar der Verjährungsfrist?
Dabei noch nicht berücksichtigt sind allfällige Ansprüche der Prüfbehörden, die sich plötzlich rückwirkend(!) ändern würden.
Zusätzlich noch außer Acht gelassen die Neuregelungen zur Karenzzeiten-Anrechnung in nahezu allen Kollektivverträgen seit Herbst 2018, die damit ebenso hinfällig wäre.
Es kann an dieser Stelle nur an die Vernunft der Parlamentarier bzw. der handelnden Parteien appelliert werden, ein rechtliches und personalverrechnungstechnisches Chaos zu vermeiden.